Nur das Nötigste (Auszug)
Gerhard Ruiss
Es war ein 1.1., an dem die Welt verschwand. Geredet darüber wurde schon länger, nur glauben konnte es keiner, auf einmal war sie weg. In welchem Jahr, konnte niemand mehr sagen. Es gab Energieglocken, die dafür sorgten, dass weiterhin alles auf festem Boden stand. Das war zwar nicht weniger aufwendig, als vorher allen, die ihr ganzes Leben auf immer wackligeren Beinen versuchten, ihr Gleichgewicht zu halten, einzureden, der Boden unter ihren Füßen würde ihnen nicht verloren gehen, aber es lohnte sich, statt immer nur zu versichern, soweit würde es nicht kommen, darüber zu reden, dass es jetzt endlich Trittsicherheit für alle gab. Die Menschen hörten nichts lieber, redeten über nichts lieber und hatten auch nichts lieber als ihren festen Halt. (...)
Was genau der Grund war, warum die Welt verschwand und Energieglocken an ihre Stelle traten, war schwer zu sagen. Möglicherweise hatte es damit zu tun, dass die Helden zu viele wurden und man sich die vielen Staatsbegräbnisse nicht mehr leisten konnte, aber das war eher eine blind zielende Vermutung, weil man keine andere Erklärung für die Existenz der Energieglocken hatte. So wie es auch das Gerücht gab, die Energieglocken seien den Wiener Schneekugeln nachempfunden, in denen man es durch einfaches Umdrehen schneien lassen konnte, und es gäbe auch welche, in denen man das möglich gemacht hätte. Genaues wusste freilich niemand, weil die Lage durch die große Zahl der die Erde ersetzenden Energieglocken sehr unübersichtlich geworden war und man sich auch nicht sicher sein konnte, wenn man einmal die eigene Energieglocke verlassen hatte, ob man je wieder den Weg zurück fand. Ab einem bestimmten Zeitpunkt war nämlich nichts mehr von einem da, das man noch rematerialisieren hätte können. Mit Heldentum hatte es jedenfalls zu tun, mit den Helden der ersten Stunde, die die Aussichtslosigkeit einer allen gemeinsamen Welt erkannten und sich auf die Suche nach einer Welt machten, die auch morgen noch stehen würde.
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